Das Ökumenische Engagement der Altkatholischen Kirchen

Kurz nach dem Schisma mit Rom im Jahr 1870 begannen sich die altkatholischen Theologen für eine Wiedervereinigung der christlichen Kirchen einzusetzen. Die Konferenzen zur Wiedervereinigung in Bonn von 1874 und 1875, die von Ignaz von Döllinger einberufen worden waren, sind in die Geschichte eingegangen. Von Döllinger selber gilt als Quelle der Inspiration und Führer der altkatholischen Bewegung. Zu den Konferenzen waren orthodoxe, anglikanische und lutherische Kirchen eingeladen. Ziel war es, im Hinblick auf einen theologischen Konsens als Grundlage zur Wiederherstellung der Kirchengemeinschaft die konfessionellen Unterschiede zu diskutieren. Die Teilnehmer entschieden sich für einen anderen Weg, die katholische Kirchengemeinschaft wiederherzustellen, als dies Rom getan hatte: Dies beeinflusste die gegenseitigen Beziehungen.

Die Konferenzen hatten keinen direkten messbaren Effekt; sie legten jedoch die Richtung des weiteren altkatholischen Engagements in ökumenischen Angelegenheiten fest. Für eine Mitwirkung wurden folgende Prinzipien als grundlegende Voraussetzungen erachtet: die Anerkennung der christologischen Dogmen von Nicäa und Chalcedon, die Gründung der Kirche durch Jesus Christus, die Heilige Schrift, die Doktrin der ungeteilten Kirche und die Kirchenväter der ersten zehn Jahrhunderte als wahre Glaubensquellen und der bekannte Ausspruch von Vinzenz von Lerin, „id teneamus, quod ubique, semper et ab omnibus creditum est“ (der wahre Glaube ist, was überall, immer und von allen geglaubt worden ist), als bevorzugtes Kriterium in der historischen Forschung.

Die Wiedervereinigung der Kirchen musste auf die Grundlage einer Aktualisierung der Glaubensentscheide gestellt werden, die von der ungeteilten Kirche gefällt worden waren.

Diese Option setzte einen hermeneutischen theologischen Ansatz voraus, bei dem die fundamentalen Entscheide der Konzilien und die Strukturen der Frühen Kirche in ihrer Bedeutung für die aktuelle Situation akzeptiert werden. Auf diese Weise könnte die ursprüngliche Einheit der Kirchen wieder sichtbar gemacht werden. In Übereinstimmung mit diesen Prinzipien bleiben die späteren Bischöfe und Theologen der altkatholischen Kirchen in Kontakt mit (russisch-) orthodoxen und anglikanischen Repräsentanten, um die Kirchengemeinschaft wiederherzustellen.

Das altkatholische Engagement in der multilateralen ökumenischen Bewegung begann formell mit der Teilnahme zweier Bischöfe, je einem aus den Niederlanden und der Schweiz, an der Konferenz der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung 1972 in Lausanne. Dieser Aspekt der Ökumene blieb für die Altkatholiken, die noch nie eine Konferenz der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung ausgelassen haben, stets von grossem Interesse. Zudem nehmen Altkatholiken auch an anderen Aktivitäten des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) und nationaler Kirchenräte teil. Die Altkatholische Kirche glaubt, dass die Einheit, die die ökumenische Bewegung für die Kirchen anstrebt, eine sei, die notwendigerweise als versöhnte Verschiedenheit aller existiert und im gemeinsamen Glauben und in der gemeinsamen Kirchenverfassung der Frühen Kirche der ersten Jahrhunderte verwurzelt ist. Das Christentum verdankt dem fortdauernden Studienprozess der Kommission für Glaube und Kirchenverfassung eine Anzahl Initiativen, welche zur Überwindung von Pattsituationen führen könnten. Durch ihre aktive Teilnahme an der ökumenischen Bewegung – seit ihrer Entstehung – demonstriert die Altkatholische Kirche die Notwendigkeit zur Fortsetzung dieser Arbeit.