Beziehungen mit der Römisch-Katholischen Kirche

Aufgrund des zwischenkirchlichen Klimas Ende des 19. und Anfangs des 20. Jahrhunderts schien eine Annäherung der Römisch-katholischen Kirche und der Altkatholischen Kirchen der Utrechter Union nicht möglich. Letztere hatten sich in ihrer theologischen Zielsetzung seit 1870 für die Herstellung kirchlicher Einheit in Orientierung am Glauben und der Verfassung der Alten Kirche eingesetzt und waren daher schon früh mit den Orthodoxen und der Anglikanischen Kirche in Dialoge eingetreten.

Veränderungen nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil

Diese Situation veränderte sich mit der Ankündigung des Zweiten Vatikanischen Konzils durch Papst Johannes XXIII, der dem neuen Konzil eine ökumenische Bedeutung zumessen wollte. Während der Vorbereitungen spielte der niederländische Theologe und spätere Kardinal Willebrands eine wichtige Rolle. Er war es auch, der den altkatholischen Erzbischof von Utrecht besuchte, um altkatholische Beobachter zum Konzil einzuladen. Die Ergebnisse des Konzils bereiteten auch den Boden für eine neue Beurteilung der Gründe und des Ausmasses der Trennung zwischen der Römisch-katholischen Kirche und den Altkatholischen Kirchen der Utrechter Union.

Dies führte dazu, dass seit 1966 in verschiedenen nationalen bilateralen Gesprächskommissionen und dann auf koordinierter internationaler Ebene  (1972/73) ein offizieller Dialog geführt wurde, der primär eine Vereinbarung über pastorale Hilfen zum Ziel haben sollte. Dieses Ziel wurde aus verschiedenen Gründen nicht erreicht. Der Dialog brachte dennoch eine Reihe von gemeinsamen Einsichten darüber, was die beiden Kirchen nach wie vor verband. Diese konnten als Ausgangspunkt für eine weitere Phase des Dialogs dienen.

Nach längeren vorausgegangenen Kontakten zwischen der Internationalen Altkatholischen Bischofskonferenz und dem Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen wurde eine neue, diesmal Internationale Römisch-katholische – Altkatholische Dialogkommission in Aussicht genommen, und zwar bei einer Begegnung zwischen dem Erzbischof von Utrecht, Antonius Jan Glazemaker, und dem Päpstlichen Einheitsrat in Rom anlässlich der ökumenischen Feierlichkeiten im Jubiläumsjahr 2000. Die konkrete Initiative ergriff daraufhin dessen neuer Präsident, Walter Kardinal Kasper. Aufgrund der Resultate einer Vorbereitungsgruppe nahmen die von ihren Kirchen ernannten Mitglieder der Dialogkommission ihre Arbeit im Mai 2004 auf.

Internationaler Dialog von 2004-2009

Die Kommission stellte, wie das schon beim früheren Dialogprozess der Fall war, erneut fest, dass die Altkatholischen Kirchen und die Römisch-katholische Kirche verbunden sind im gemeinsamen Bekenntnis zur Heiligen Schrift und zum Nicäno-konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis sowie zu den dogmatischen Entscheidungen der im Osten und im Westen anerkannten ökumenischen Konzile und dass für beide Kirchen das Bischofsamt in apostolischer Sukzession, in der die ganze Kirche steht, und die sieben Sakramente ekklesiologische Grundpfeiler ihrer Bemühungen um eine Kirchengemeinschaft sind.

Der Hauptgrund der Trennung der beiden Kirchen waren Differenzen über das Verhältnis von Ortskirche und päpstlichem Primat (1723) bzw. die Dogmen des Ersten Vatikanischen Konzils über die Unfehlbarkeit und den Jurisdiktionsprimat des Papstes (1870). Die Altkatholischen Kirchen haben jedoch die besondere Stellung des Papstes für die Gesamtkirche (primus inter pares) in Frage gestellt.

Die seitdem von beiden Seiten vertieften ekklesiologischen Überlegungen zum Dienst des Papstes an der Gemeinschaft aller Ortskirchen haben gezeigt, dass hier keine unüberbrückbaren Gegensätze mehr bestehen. Näheres ist dem Schlusstext der Dialogkommission zu entnehmen, der sich nicht zuletzt einem gemeinsamen Nachdenken über diesen Dienst verdankt, zu dem 1995 Papst Johannes Paul II. in “Ut unum sint” aufgerufen hat. Dieser gemeinsame Text – der auch als erste offizielle altkatholische Antwort auf den genannten Aufruf betrachtet werden kann – geht davon aus, dass die sogenannte Papstfrage nicht isoliert erörtert werden kann, sonder nur in einer umfassenden Besinnung über die Kirche als Gemeinschaft von Ortskirchen, in denen die Eine, heilige, katholische und apostolische Kirche, die wir im Glaubensymbol bekennen, existiert.

Die Dialogkommission wurde im Verlauf der Arbeit dazu geführt, den Text über die Kirche in den Horizont einer möglichen Kirchengemeinschaft zu stellen. Natürlich konnte sie nicht übersehen, dass es auch auf der Basis des gemeinsam festgehaltenen Glaubens in den beiden Kirchen unterschiedliche Weiterentwicklungen in Einzelfragen der Lehre und der kirchlichen Disziplin gegeben hat. Diese wurden jeweils mittels der Methodik des ‘differenzierten Konsenses’ herausgearbeitet und dargestellt. Es hat sich im Urteil der Kommission herausgestellt, dass einige dieser Divergenzen Einschränkungen in der Umsetzung einer möglichen Kirchengemeinschaft mit sich bringen.

Die Kommission hat ihre Arbeit nach insgesamt 11 Sitzungen im Mai 2009 abgeschlossen und einen gemeinsamen Text vorgelegt, der unter dem Titel Kirche und Kirchengemeinschaft, Bericht der Internationalen Römisch-katholisch – Altkatholischen Dialogkommission in Buchform vorliegt. Der Bericht liegt nun den Kirchenleitungen zur Beurteilung vor. Es ist klar, dass manche der geäusserten Überlegungen eines weiterführenden Gesprächs bedürfen. Die Kommission erhofft sich aber einen produktiven Rezeptionsprozess auf allen Ebenen, ohne den das angestrebte Ziel nicht erreicht werden kann.

Der Text besteht aus einer gekürzten und leicht ergänzten Version des Vorwortes des Buches ‘Kirche und Kirchengemeinschaft, Bericht der Internationalen Römisch-katholisch – Altkatholischen Dialogkommission, Bonifatius-Verlag, Paderborn / Verlag Otto Lembeck, Frankfurt a.M., 2009, 85 S.