Brücken bauen

Grusswort der Bischöfe der Utrechter Union aus Anlass des 125. Jahrestages ihrer Gründung.

 

 Liebe Schwestern und Brüder,

“Die Utrechter Union ist eine Gemeinschaft von Kirchen und der sie leitenden Bischöfe, die entschlossen sind, den Glauben, den Kultus und die wesentliche Struktur der ungeteilten Kirche des ersten Jahrtausends zu bewahren und weiter zu tragen.“

So lautet der erste Satz des Statutes der Utrechter Union und in dieser Absicht trafen sich die Bischöfe am 24. September 1889 im Utrechter Bischofshaus. Sie wollten miteinander eine Gemeinschaft sein und sie wünschten, dass ihre Kirchen einander als Schwesterkirchen sehen würden. Die Grundlage ihrer Gemeinschaft fanden sie in der Auffassung von Vinzenz von Lérin:

“Das wollen wir festhalten, was überall, was immer, was von allen geglaubt wurde; denn das ist wahrhaft und eigentlich katholisch”.

Die Bischöfe wollten damit zeigen, dass nicht private Meinungen einseitig zur Wahrheit erklärt werden konnten, denn damit würde die Gemeinschaft zerstört. Wahrheit ist eine gemeinsame Aufgabe und eine gemeinschaftliche Suche. Zu dieser Suche werden Menschen von Gott selbst berufen, der sie, durch den Geist dazu ermutigt, auf dem Wege der Nachfolge Jesu die “wahre Liebe” entdecken lässt. Diese Suche ist der Weg der Kirche als Gemeinschaft, zu der im Prinzip alle Menschen gerufen sind. Kirche ist Gemeinschaft und darum fühlen sich Trennungen, deren Resultat die altkatholischen Kirchen sind, noch immer wie Wunden an. Obwohl sie im Laufe der Zeit geheilt sind, haben sie doch Narben zurückgelassen. Wer an die Versöhnung die uns in Jesus gezeigt wurde glaubt, sucht nicht die Trennung sondern die Gemeinschaft. Darum spricht durch die schmerzhafte Realität der Trennung hindurch der Herr zu uns und lädt uns dazu ein trotz allem Zeugen von Versöhnung und Gemeinschaft zu sein. Das war die Motivation der Bischöfe vor 125 Jahren und darum geht es uns auch heute. Diese Tatsache ist bestimmend für unsere Berufung, unsere Mission und unsere Spiritualität.

Einheit herbeiführen

Der Bruch mit der Kirche wurde damals nicht gesucht. Aber es wurde eine bestimmte Sicht der Kirche vertreten und diese Sichtweise wurde schliesslich die Ursache eines Bruchs. Die Verkündigung des Evangeliums war der Ausgangspunkt und zugleich das Ziel und man war der Meinung, dass die kirchliche Wirklichkeit die Verkündigung erschwerte. Sowohl die Uneinigkeit unter den Christen als auch die Angst vor modernen Entwicklungen in manchen katholischen Kreisen stand dieser Verkündigung im Wege. In der Rückkehr zum Glauben der Alten Kirche sahen die Bischöfe eine Möglichkeit in beiden Punkten einen alternativen Weg zu entwickeln. Nach ihrer Überzeugung war im Rückzug aus der Gesellschaft  oder im Ignorieren wissenschaftlicher und kultureller Fragen kein Heil zu finden. Ausserdem stellten sich die Bischöfe und ihre Kirchenmitglieder die Frage, inwieweit kirchliche Trennungen noch sinnvoll seien. Sie vertraten eine wichtige Gruppe von Katholiken, die sich zur altkatholischen Bewegung zusammengetan hatten. Sie bildeten eigentlich eine ökumenische Bewegung avant-la-lettre, die von Anfang an aktiv versuchte, die Einheit mit den orthodoxen Kirchen und der Anglikanischen Gemeinschaft wiederherzustellen.

Es war für die altkatholische Bewegung eine Frage des Überlebens, dass sie sich in einigen Ländern als eine lokale katholische Kirche organisierte. Das war zunächst in der Schweiz und in Deutschland der Fall. Zusammen mit der Niederländischen Kirche, die einen anderen Ursprung hat, sich aber im Streben dieser Bewegung wiedererkannte, ergriffen diese Kirchen die Initiative zu einem internationalen Verband altkatholischer Kirchen: Der Utrechter Union. Andere Kirchen haben sich später dieser Utrechter Union angeschlossen. Es bleibt traurig, dass gerade diejenigen, die sich berufen fühlten für die Einheit der Kirche zu kämpfen, von der Kirche, die sie so liebten,  getrennt wurden. Das ist vielleicht auch der Grund, weshalb weder diese Kirchen noch die Utrechter Union selbst jemals grosse Machtambitionen hatten. Man wollte sich innerhalb der Weltkirche immer für mehr Gemeinschaft und Einheit einsetzen. Die Union wollte Brücken bauen und ein Zentrum der Begegnung für Christen verschiedener Traditionen sein. Auf diese Weise wollte man einen Beitrag zum ökumenischen Ideal der Einheit aller Christen leisten. Die Utrechter Union setzt sich bis heute für die Ökumene ein. Neben der Tatsache, dass sie noch immer offen für neue Mitglieder ist, engagiert sie sich auch im Dialog mit grossen christlichen Traditionen und möchte ein Begegnungsort sein für Christen, die in der Perspektive der Katholizität der Alten Kirche Gemeinschaft miteinander suchen.

 Die Vision für die Kirche

Die altkatholische Kirche orientiert sich in ihrer ekklesiologischen Identität und theologischen Programmatik an den Vorgaben der Alten Kirche. Darüber hinaus geht es ihr um die Bewahrung der Kontinuität mit dem apostolischen Ursprung der Kirche. Dabei sind die drei folgenden Punkte von fundamentaler Bedeutung. 

Die Kirche ist eine Heilsgemeinschaft, denn in ihr wird das von Gott den Menschen geschenkte Heil realisiert. Weil das Heil konkret erfahrbar sein muss (es ist sonst kein Heil), verwirklicht es sich in den konkreten Lebensumständen der Menschen. Deshalb ist die Kirche immer eine lokale Realität und die Weltkirche eine konziliare Gemeinschaft von Ortskirchen. Das Heil ist die ‚Versöhnung‘. Es geht um die Versöhnung wie sie uns in Jesus Christus von Gott geschenkt wurde, d. h. um die Versöhnung von Menschen mit sich selbst, untereinander und mit Gott. Kirche ist Dienst an der von Gott gewirkten Versöhnung. Dieser Dienst ist für die missionarische Sendung der Kirche entscheidend. Versöhnung bewirkt Gemeinschaft.  Die Eucharistie ist Quelle und Ausdruck der als Gemeinschaft verstandenen Kirche, die vom Bischof, bzw. in der Verbindung mit ihm von einem Priester, gefeiert wird. Das Amt ist als Verbindung der Ortskirche mit dem Ursprung und als Zeichen der Einheit zu verstehen.

Beim Aufbau von Gemeinschaft lassen wir uns von einigen wichtigen Überzeugungen der Alten Kirche lenken. Wenn von der Universalität der christlichen Botschaft gesprochen wird, deren Annahme grundsätzlich allen Kulturen in ihrer unterschiedlichen Ausprägung offen steht ist, dann bietet gerade das altkirchliche Modell der Communio von Ortskirchen die Möglichkeit, Einheit im Wesentlichen und Vielfalt in der Ausgestaltung des kirchlichen Lebens zu erfahren. Die Annahme des Anders-seins der Anderen und der anderen Kulturen  ist dabei eine Grundvoraussetzung dafür, dass eine kirchliche Communio im Sinne einer Solidaritätsgemeinschaft, die die Versöhnung und das Heil erfahrbar machen kann, überhaupt funktioniert. Dasselbe gilt für die hierfür notwendigen Austausch- und Kommunikationsprozesse. Sie sind geradezu konstitutiv für das Gelingen einer Glaubensgemeinschaft gleichberechtigter und gleichwertiger Orts- und Nationalkirchen. Diese Kommunikation innerhalb der Ortskirchen und darüber hinaus auf der Ebene der Communio, ist für das Gelingen der Gemeinschaft notwendig.

Ein spiritueller Weg

Die Katholizität der Kirche ist nicht nur eine theologische Stellungnahme, sondern der Glaube daran, dass der Heilige Geist uns in der Beziehung mit Menschen auf der ganzen Welt etwas zu sagen hat. Durch unsere Tradition verfügen wir über einige interessante ideologische Prinzipien die unsere Kirche nicht nur oberflächig schmücken dürfen. Nein, sie bietet uns die Anleitung die wir brauchen, damit wir uns ins Leben und in die Welt wagen. Unsere Tradition lädt uns ein die Menschen und die Welt so ernst zu nehmen wie Gott sie ernst nimmt.

In der altkatholischen Art des Christ-Seins gibt es drei Kernthemen: Aufgeschlossenheit, Verbundenheit und Teilnahme.

Zuerst ein Wort zur Aufgeschlossenheit. Wir können sie übersetzen als Bedürfnis nach Aufrichtigkeit (Authentizität), wie sie Altkatholikinnen und Altkatholiken so wichtig ist. Sie sind mit einfachen Antworten nicht zufrieden. Sie nehmen teil am Leben, so wie es ist. Mitten im Leben wollen sie das Wort Gottes hören. Sie wollen einen Dialog zustande bringen zwischen dem Wort Gottes und der Lage der Menschen und der Welt. Glauben ist schliesslich keine sichere und abgeschlossene Angelegenheit.

Verbundenheit ist das zweite Kernthema. Das Schönste, was einem Menschen passieren kann, ist sich verbunden zu wissen mit Menschen, die sich nach Reisegefährten umsehen. Auch darin kann ein Mensch die Verbundenheit mit Gott erfahren. Gott hat sich ganz mit den Menschen verbunden. Verbundenheit bedeutet auch Verfügbarkeit. Wer Reisegefährte eines Anderen geworden ist, ist verfügbar, um zusammen mit dem Anderen Ausschau zu halten nach einer anderen Lebensqualität und zusammen daran zu arbeiten. Zusammen mit Gott hoffen wir, dass das Leben der Menschen und ihrer Welt mehr und mehr die ‘Qualität des Königreiches’ erhalten möge. Die Qualität hängt direkt zusammen mit Vergebung und Versöhnung, mit Platz machen füreinander, mit einander Chancen geben, mit Einheit und Friede.

Gott geht uns darin voran, und darum ist glauben nichts anders als ‘mit Gott mit-tun’. Der dreieinige Gott ist Verbundenheit in sich selbst. Glauben bedeutet Eingehen auf die Einladung, um an der Verbundenheit teilzunehmen. Teilnahme an Gottes Leben-in-Verbundenheit: das ist glauben. Das ist das dritte Thema. Teilnehmen zu können an dieser göttlichen Verbundenheit ist reine Gnade: es ist ein Geschenk, ein Geschenk fürs Leben! Die Kirche ist ein Ausdruck dieses Lebens-in-Verbundenheit.

Der auferstandene Herr ist das Haupt der Kirche, denn ohne seine Führung sind wir richtungslos. Er ist es, von dem wir Liebe lernen. Der Geist Gottes ist es, der unsere Herzen lieben lässt. Der Geist gibt jedem besondere Gaben mit, die alle einen wichtigen Beitrag leisten zum Aufbau des Ganzen, so dass die Kirche Zeugnis ablegt in der Welt von der ‘Qualität des Königreiches’! Das kommt nicht aus uns selbst: wir erhalten es immer wieder neu wenn wir das Brot brechen und den Kelch teilen im Namen Jesu. Dann werden wir immer wieder neu zu einem Volk geschmiedet, das leben darf aus Gottes Liebe.

Von der Kirche darf man erwarten, dass sie die Geschichte Jesu erzählt, während man sie auch aktiv lebt. Dafür ist viel Aufgeschlossenheit nötig, die zu Verbundenheit führt, und zu kräftigem Mittun mit Gott.

Die aktuelle Berufung der Utrechter Union

Die altkatholischen Kirchen sind dazu berufen an die Katholizität der Kirche beizutragen. Die Grundbedingung zum Realisieren dieser Berufung ist, dass man die Kraft der ‚Gemeinschaftsspiritualität´ innerhalb der Gemeinde und des Bistums erfahren kann. Dann  wird man sich auch bewusst, dass dies ein Beitrag an die ganze Kirche, die Universalkirche, ist. Wir können selbst erfahren wie diese Spiritualität von Aufgeschlossenheit-Verbundenheit-Teilnahme unsere Kirchen mit anderen Kirchen verbindet: innerhalb der Schwesterkirchen der Utrechter Union, aber auch mit den Anglikanischen und Orthodoxen Kirchen, mit der Unabhängigen Philippinischen Kirche; aber auch in unseren Dialogen mit den Orthodoxen Kirchen, der Römisch-katholischen Kirche, der Altkatholischen Kirche der Mariawiten, der Mar-Thoma Kirche in Indien und der Kirche von Schweden. Diese Spiritualität ist ein Beitrag zur Einheit und zur Katholizität der Kirche. Es gibt Altkatholiken, damit die Kirche ‚katholischer wird‘: das heisst, damit sie zugleich mehr auf die Erde und auf den Himmel bezogen ist.

Wenn man ein ´altkatholisches Charisma´ nennen will, dann wäre dies, dass Glaube immer die mit Herz und Seele gelebte Verbundenheit mit Mensch und Schöpfung bedeutet, weil Gott in derselben tiefen Verbundenheit für das Heil der Menschen und der Schöpfung eintritt. Das ist die Essenz der Spiritualität der ‚Trinität‘ der Aufgeschlossenheit-Verbundenheit-Teilnahme.

Man spürt, dass diese Art und Weise mit Welt und Kirche umzugehen von anderen Christen geschätzt wird. Das ist ein Zeichen dafür, dass es auch in diesem Bereich der Universalkirche eine Berufung für die Altkatholischen Kirchen gibt. Deswegen ist nicht nur unsere Zusammenarbeit innerhalb der Utrechter Union wichtig, sondern auch unsere gemeinsame ökumenische Arbeit. Das heisst, dass wir Initiativen ergreifen müssen um neue Partnerschaften mit anderen Kirchen einzugehen, und dass wir aktiv auf die Suche nach der Erweiterung unseres ökumenischen Auftrages gehen müssen. Es heisst, dass wir auch im internationalen ökumenischen Bereich für diese Spiritualität werben sollen und dass wir ChristenInnen aus anderen Kirchen damit bereichern. In diesem Kontext ist es klar, dass unsere Kleinheit eher ein Vorteil ist, weil sie für Niemanden eine Bedrohung darstellt. Auf diese Niedrigkeit stützt sich unsere “Autorität”.

Wir haben schon einige interessante Resultate erreicht, sind aber trotzdem noch am Anfang eines Weges der uns in die Zukunft führt. Es ist notwendig, dass die ökumenische Arbeit von Vielen unterstützt  und mitgemacht wird. Wir laden deswegen alle ein diese Arbeit mit ihrer Sympathie und ihrem Gebet zu unterstützen und wo möglich daran auch mitzuarbeiten damit das Engagement für die Ökumene von unseren Gemeinden mitgetragen wird.

In unserer Zeit, in der die christliche Welt auch durch viele moralische Fragen voneinander getrennt wird, ist es auch sehr wichtig eine Brücke zu schlagen zwischen den sogenannten “Liberalen” und den “Konservativen”. Es wäre sowohl in der Theologie wie auch in der Ethik kurzsichtig uns zu einer der beiden Richtungen zu bekennen. Wir sollten vielmehr danach streben beide Parteien zueinander zu bringen und so dazu beizutragen, Möglichkeiten zu schaffen um alle Standpunkte zu untersuchen.

Auch in diesem Punkt liegt die Rolle des „Zusammenrufenden”, der zu einem Gespräch einlädt auf dem Wege unserer Berufung. Vielleicht kann die Autorität eines alten, traditionellen  Bischofssitzes wie demjenigen von Utrecht auch in diesem Punkt eine stimulierende Rolle spielen.

“Was überall, was immer, was von allen geglaubt wurde…”

Der Rat von Vinzenz regt uns weiterhin dazu an, Brücken zu bauen und Gemeinschaft zu suchen. Der Mönch aus Lérin suchte einen Ausweg für ein vielfarbiges Christentum, das ein zusammenhangsloses Chaos zu werden drohte. Auch in unserer Zeit ist die Vielfarbigkeit der Christenheit sehr gross. Das ist sicher eine Chance, aber auch eine Bedrohung. Die Kunst besteht darin, in unserer Verschiedenheit miteinander sichtbar verbunden zu sein damit Uneinigkeit und Streit nicht siegen. Dieser Herausforderung muss sich auch die Welt stellen. Die Situation der Christenheit unterscheidet sich in diesem Punkt nicht wirklich von der Lage der Welt, in der sie lebt. Umso deutlicher ruft Gott die Christen dazu auf Zeichen von Versöhnung, von Einheit und Gemeinschaft zu setzen, derer die Welt so sehr bedarf. Zum 125. Geburtstag unserer Gemeinschaft sprechen wir als Bischöfe der Kirchen der Utrechter Union laut und deutlich unsere Verpflichtung dazu aus. Unsere Spiritualität von Offenheit, Verbundenheit und Teilnahme weckt in uns das Charisma von Brückenbauern und macht die Kirchen der Union und die Union selbst zu Begegnungsorten, wo – noch immer – Gemeinschaft und Einheit als Gabe Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes entdeckt werden kann.

Gott sei gesegnet an diesem Gedenktag für all das, was unsere Kirchen in den vergangenen 125 Jahren realisieren konnten, Gott sei gedankt für das, was Sein Geist in uns bis zum heutigen Tage bewirkt.

 

Dr. Joris A.O.L. Vercammen, Erzbischof von Utrecht, Vorsitzender der Internationale Altkatholische Bischofskonferenz

Dr. Harald Rein, Bischof der Christkatholische Kirche der Schweiz, Sekretär der Internationalen Altkatholischen Bischofskonferenz

Mag. Dusan Hejbal, Bischof der Altkatholischen Kirche in der Tschechische Republik

Dr. John Okoro, Bischof der Altkatholischen Kirche Österreichs

Dr. Matthias Ring, Bischof des Katholischen Bistums der Altkatholiken in Deutschland

Dr. Dirk Jan Schoon, Bischof von Haarlem

Dr. Wiktor Wysoczanski, Bischof der Altkatholischen Kirche in Polen

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